 |
 |
Bruder Paulus Terwitte OFMCap |
 |
Kapuzinerkloster Dieburg in Hessen,
Deutschland |
 |
Interview:
Peter Wagner - ZEIT ONLINE www.zeit.de - 1. Juni 2006 |
 |
"Ich bin der Headhunter
Gottes" |
 |
Ein Gespräch mit dem Kapuzinermönch Bruder
Paulus Terwitte
über Berufung und Beruf |
 |
 |
 |
Bruder Paulus Terwitte OFMCap.
© Bruder Paulus Terwitte OFMCap
- www.bruderpaulus.de |
 |
Bruder Paulus, Jahrgang 1959, lebt im Kapuzinerkloster
Dieburg in Hessen und wurde von seinem Orden damit beauftragt, Nachwuchs zu
werben. Denn immer weniger Menschen wollen in Ordensgemeinschaften
eintreten. Bruder Paulus stellt sich sogar auf Bildungsmessen vor und lädt
allmonatlich interessierte junge Leute zu Informationsgesprächen ins Kloster
ein. Er ist im Jahr 1978 dem Kapuzinerorden beigetreten direkt nach dem
Abitur. Und er ist einer der aktivsten Vertreter seiner Botschaft: Er war
Gast in der Harald Schmidt Show, moderiert die Fernsehsendung N 24 Ethik und
ist mit einer eigenen Homepage im Internet vertreten. |
 |
DIE ZEIT: Bruder Paulus, Ihrem Orden mangelt es arg an
Nachwuchs. |
 |
Bruder Paulus: Ja, die Zahl der Kapuziner in Deutschland
ist von 550 im Jahr 1978 auf 200 im Jahr 2006 zurückgegangen. Das
Durchschnittsalter der Brüder liegt – wohlwollend gesagt – bei 68 Jahren.
Deshalb gehe ich jetzt mal forsch vor und suche Männer, die fähig sind, gute
Ordensleute zu werden. Ich bin der Headhunter Gottes. |
 |
Was heißt das? |
 |
Ich rede mit jungen Leuten, die vielleicht
Geschäftsführer einer Bank werden wollen, ob es nicht besser wäre, sie
würden das Geld für Schulen in Indonesien oder in Mexiko verwalten. Die
sollen hellhörig werden, weil Karrieredenken nicht nur heißt: Ich guck mal,
wie es mir gut geht, nein, es könnte auch eine tolle Karriere sein, wenn ich
dazu beitrage, dass es anderen gut geht. |
 |
Das bedeutet, Sie… |
 |
…ich werbe um die besten Männer in Deutschland. Ich will
die Männer, die eigentlich gerne von erfolgreichen Frauen geheiratet worden
wären. Die will ich fragen, ob sie nicht eigentlich von Gott bestimmt sind,
diesen Weg zu gehen. |
 |
Was für ein Weg wäre das? |
 |
Ein Weg, auf dem man ohne Eigentum lebt, in keuscher
Ehelosigkeit und Gehorsam, auf dem es darum geht, in den Fußspuren des
heiligen Franziskus an einer brüderlichen Welt mitzuarbeiten. Ich scheue
mich nicht, zu sagen: Mein Kloster in Dieburg ist das Assessment-Center, wo
sich Leute prüfen können. |
 |
Sie haben sich sogar für eine Bildungsmesse
angemeldet. |
 |
Ja, im nächsten Jahr will ich bei der »Nacht der Berufe«
in Frankfurt einen Stand haben. Außerdem werde ich zur Agentur für Arbeit
gehen und gucken, ob das Berufsbild des Ordensmannes überhaupt im Computer
drin ist. Das ist ja ein anständiger Beruf, mit dem man sich zeigen kann. |
 |
Sie reden von Beruf und nicht mehr von Berufung. Das
klingt so, als wollten Sie das Ordensleben neu bewerten. |
 |
Nein, das ist endlich eine Richtigbewertung. Sehen Sie:
Das Krankenhauswesen, Teile des Bildungssystems, die Altenheime – es fußt
alles auf dem Engagement von Menschen, die mit Herzblut Sachen aufgebaut
haben. Es wurde gegründet vom Engagement von Ordensgemeinschaften, und das
wird wieder kommen! Es wird nicht mehr lange dauern, dann haben wir die
Armenkrankenhäuser wieder. Der Staat gibt gerade wieder Verantwortung ab –
auf neue Ordensleute kommt Arbeit zu. Und wir haben damit Erfahrung. Die
Kapuziner zum Beispiel haben 1520 die erste Feuerwehr in Paris gegründet,
Brüder arbeiten in Aids-Stationen in Afrika, wir haben Lkw-Seelsorger
gehabt… |
 |
Aber viele Jugendliche interessieren sich doch für
soziale Berufe – warum ist das Interesse an der Ordenskarriere dann gar so
gering? |
 |
Etablierte Ordensgemeinschaften halten gerne Ausschau
nach Jugendlichen, die ihr System weiter unterstützen. Den Verantwortlichen
ist das revolutionäre Potenzial junger Menschen eher suspekt – obwohl sie
darin am ehesten das Antlitz Jesu finden müssten! Man sucht Ordensleute für
seine Institution – und nicht für die neuen Ideen, die die Jungen
mitbringen. Die wollen doch nicht den alten Käse von vorgestern
weitermachen! |
 |
 |
 |
Bruder Paulus Terwitte OFMCap.
© Katholisch.de -
Internetportal der katholischen Kirche in Deutschland |
 |
Hat Ihr Werben denn Erfolg? |
 |
Ja, für den ersten Treffpunkt im Kloster hatte ich nach
einer einzigen Pressemitteilung schon fünf Anmeldungen. Darunter war ein
Investmentbanker, der vor sieben Jahren angefangen hat, sich mit Theologie
zu beschäftigen, und jetzt vor der Frage steht: Will Gott mich als
Ordensbruder haben? Oder ein 17-Jähriger, der sich sagte: Ich weiß, ich will
für Gott durch die Welt gehen, und ich will gucken, ob ich das mit den
Kapuzinern kann. Für mich ist mit den Treffs aber noch etwas anderes
verbunden: Wir müssen jungen Leuten neu sagen, dass sie ihre besten Jahre
nicht mit Suchen, sondern mit dem Vertiefen des Gefundenen verbringen
sollen. Verstehen Sie, was ich meine?
|
 |
So halb. Erklären Sie. |
 |
Im Alter zwischen 20 und 30 verstehen sich immer mehr
Menschen als Jugendliche, die immer noch etwas zu suchen haben. Damit
verpassen sie es, sich in die Tiefe hinein auszubilden. Viele schauen immer
noch umher und fragen sich: Bin ich hier richtig, oder bin ich da richtig?
Sie betreiben eine flächendeckende Suche nach ihrer wahren Berufung, wollen
nicht konkret werden, sich nicht binden, nichts verbindlich in den
Terminkalender schreiben. Und dann ist ein Mensch 30 Jahre alt, und mit
einem Mal fehlt ihm der Elan, mit dem er noch Wurzeln treiben könnte. Manche
werden zu spät wach und sehen, dass die Zukunft, von der sie dachten, sie
liege vor ihnen, plötzlich hinter ihnen liegt. |
 |
Sie scheinen einen ganz anderen Auftrag zu haben: Sie
wollen den Menschen Entscheidungen abringen? |
 |
Ja, ich nenne meine Treffs im Kloster auch
»Kapuziner-Treffpunkt Entscheidung« und nicht »Spurensuche«. Ich will nur
die Leute da haben, die spüren: Ich muss eigentlich in meinem Leben etwas
entscheiden, aber ich traue mich nicht. |
 |
Warum muss ich mich entscheiden? |
 |
Weil man Verantwortung für sein Leben übernehmen muss.
Wir haben einen modernen Atheismus, in dem Leute sagen: Entscheiden? Geht
noch nicht. Wir machen irgendwelche Mächte verantwortlich für unser
Wohlergehen, und ich sage deutlich: Menschliche Freiheit meint, du kannst,
aber auch: du musst dich entscheiden. Offensichtlich aber empfinden viele
Menschen die Last der Freiheit sehr stark sie haben die Freiheit zu
entscheiden, können sich aber nicht entscheiden. Also weichen viele der Last
einfach aus. Dann will man zum Beispiel keine Kinder haben, weil die einen
ja die nächsten 20 Jahre festlegen würden. Also entscheidet man nichts und
entzieht sich dadurch Lebensfreude. |
 |
Na, so schlimm ist es doch auch nicht, wenn man in
jungen Jahren herumschnuppert. |
 |
Ich glaube, dass Lebensfreude mit der Entscheidung kommt.
Man muss nicht zuerst maximales Glück erfahren, um dann zu sagen: Ach,
wahrscheinlich ist jetzt das das Richtige! Ich muss den Sprung ins Wasser
wagen, damit ich glücklich werde und sehen kann, in welche Weiten und Tiefen
mich meine Entscheidung führt. |
 |
Aber woher kommt die Scheu davor, sich festzulegen? |
 |
Philosophisch gesprochen, haben die jungen Leute Reserven
gegenüber der verbindlichen Vergesellschaftung. Sie gehen nicht gern in
Parteien, in Vereine so würden sie erdverbunden werden und tragend. Das
fürchten viele, und das ist eine Last, die wir von den alten Griechen haben.
Die haben gesagt: Das Geistige, Spirituelle, Unverbindliche, das ist toll!
Diese Sklavenarbeit sollen irgendwelche untergeordneten Chargen machen.
Leider sind wir dadurch in unserem Abendland auch nicht sehr viel weiter
gekommen. |
 |
Meine Herren! Sie können bei dem Thema ziemlich
emphatisch werden. |
 |
Ich möchte ein Signal senden und sagen: Tut doch bitte
nicht so, als müsstet ihr überall reingerochen haben! Diese Gnadenlosigkeit
der modernen Zeit ist doch wahnsinnig, wenn den Leuten vermittelt wird, sie
müssten sich so ausbilden, dass sie überall einsetzbar sind. Das ist
schlimmer als im Kommunismus. |
 |
 |
 |
Bruder Paulus Terwitte OFMCap.
© Katholisch.de -
Internetportal der katholischen Kirche in Deutschland |
 |
Bruder Paulus, Sie scheinen mehr Lebensberatung denn
Mitgliederwerbung im Sinn zu haben. |
 |
Das will ich auch so verstanden wissen. |
 |
Wie kommts? |
 |
Ich habe mal einen jungen Mann kennengelernt, wir
plauderten, verabschiedeten uns, und er sagte, er ginge nach Hause zu seiner
Freundin. Ich fragte: Wie lange seid ihr zusammen? Er sagte: Acht Jahre. Ich
fragte: Warum heiratet ihr nicht? Seine Antwort kam, wahrscheinlich im
Affekt, sehr direkt. Er sagte: Es könnte ja noch was Besseres kommen. Wissen
Sie, wenn Menschen schon so miteinander umgehen: Ich lebe mit dir unter dem
Vorbehalt, dass etwas Besseres kommt – da stimmt was nicht! Wenn jemand
seinen Beruf nur in der Lauerstellung ausübt, dass danach etwas Bessres
kommt – dann kann man nie darin aufgehen! Viele Menschen sind seelisch
krank, weil sie sich nicht trauen, in einer Sache aufzugehen. Dagegen will
ich etwas tun. |
 |
Glauben Sie, Sie werden auf Ihrer Suche nach neuen
Mitbrüdern überhaupt fündig? |
 |
Klar, ich behaupte, dass Gott in Deutschland 20 bis 100
Männer geformt hat, die von ihrer Biografie her Kapuziner werden sollen. |
 |
Text auszugsweise aus |
 |
Interview:
Peter Wagner - ZEIT ONLINE - 1. Juni 2006
www.zeit.de |
 |
Mehr über den selbst ernannten Headhunter Gottes gibt es
unter: |
 |
www.bruderpaulus.de |
 |
www.facebook.com/br.paulus |
 |
|
 |
 |
 |
Index/Startseite |
|
 |
 |
Orden
Übersicht |
|
 |
 |
Klöster, Stifte u. Abteien |
|
 |
 |
Klostergeschichten |
|
 |
 |
Kirchen in Österreich |
|
 |
 |
Geschichte |
|
 |
 |
Zeittafel |
|
 |
 |
Heilige und Selige |
|
 |
 |
Fest- und Feiertage |
|
 |
 |
Gebet und Kirche |
|
 |
 |
Neue Inhalte |
|
 |
|
Frater Ambrosius,
OH |
|
 |
 |
Frater Antonius,
OH |
|
 |
 |
Bruder Bruno-Maria,
OSB |
|
 |
 |
Abt Christian,
OSB |
|
 |
 |
Sr. Consolata,
OSE |
|
 |
 |
Bruder Dominikus,
CFA |
|
 |
 |
Sr. Hildegard,
SDS |
|
 |
 |
Pater Imre,
OH |
|
 |
 |
Frater Johannes,
OSB |
|
 |
 |
Sr. Licia, SCJG |
|
 |
 |
Sr. Maria Magdalena,
OSC |
|
 |
 |
Bruder Patrick,
SJ |
|
 |
 |
Bruder Paulus,
OFMCap |
|
 |
 |
Bruder Pio, OFMCap |
|
 |
 |
Pater Raphael,
OCist |
|
 |
 |
Frater Richard,
OH |
|
 |
 |
Sr. Rita-Maria,
OSA |
|
 |
 |
Sr. Rosecarmel,
DMMM |
|
 |
 |
Frater Saji,
OH |
|
 |
 |
Frater Ulrich,
OH |
|
 |
 |
Sr. Ursula, OP |
|
 |
 |
Klosteralltag |
|
 |
|
 |
 |
 |
 |
|
|
 |
 |
 |
 |
 |
 |
|
|
 |
|
 |
|
|
|
 |